Google muss vergessen können

01.07.2014

Mit einem Paukenschlag entschied der EuGH am 13.05.2014 (Az. C-131/12), dass Suchmaschinenbetreiber wie Google unter engen Voraussetzungen verpflichtet sind, Links auf sensible Daten zu löschen, wenn dadurch Persönlichkeitsrechte verletzt werden. Das Urteil hat erhebliche Auswirkungen nicht nur für Google, sondern bedeutet auch einen Eingriff in die Informationsfreiheit.

Im Detail:

Geklagt hatte ein Spanier, dem es misfiel, dass Google auf einen Artikel in einer spanischen Lokalzeitung verlinkte, der über eine Zwangsversteigerung im Jahr 1998 berichtete. Der Kläger argumentierte, die Sache sei längst erledigt; die Veröffentlichung dieser „veralteten“ Meldung verletze ihn in seinem Persönlichkeitsrecht. Der EuGH gab dem Kläger in seinem Fall Recht. Google ist künftig verpflichtet, auf Verlangen Betroffener Suchergebnisse zu entfernen, sofern diese „in Anbetracht aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der verstrichenen Zeit, den Zwecken, für die sie verarbeitet worden sind, nicht entsprechen, dafür nicht oder nicht mehr erheblich sind oder darüber hinausgehen“. Neu und bahnbrechend ist, dass Google für die Verarbeitung personenbezogener Daten, die auf von Dritten veröffentlichten Internetseiten erscheinen, laut EuGH nach Europäischem Datenschutzrecht selbst verantwortlich ist.

Praxishinweis:

Verallgemeinerungsfähig ist das Urteil allerdings nicht. Eine Löschung wird wohl nur in eindeutigen Fällen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung in Betracht kommen. Das Urteil des EuGH stärkt zwar einerseits die Persönlichkeitsrechte Betroffener, bedeutet aber andererseits einen gravierenden Eingriff in die Informationsfreiheit und vor allem in das Selbstverständnis von Suchmaschinenbetreibern, die sich mit der Begründung verteidigen, nur das anzuzeigen, was ohnehin im Netz – ob rechtmäßig oder nicht – zu finden sei. Das Urteil bürdet nun den Suchmaschinenbetreibern die schwierige Prüfung auf, im Einzelfall zwischen Persönlichkeitsrechten und Informationsfreiheit abwägen zu müssen. Schon zuvor hatte der BGH im Fall der Auto-Complete-Funktion entschieden, dass Google bei der Verletzung von Persönlichkeitsrechten verpflichtet sein kann, die automatische Vervollständigung von Suchanfragen zu löschen (BGH, Urt. v. 14.05.2013 – VI ZR 269/12). Bei einem öffentlichen Interesse kann ein Link auf eine negative Berichterstattung aber gerechtfertigt sein. Beispiele dafür gibt es genug, z.B. bei „Verfehlungen“ von prominenten Politikern, Sportlern oder Schauspielern.

Google hat schnell reagiert und über seine Website ein Online-Formular zur Verfügung gestellt, mit dem Löschungsanträge gestellt werden können. Nach Medienberichten sind bereits etliche tausend Anfragen bei Google eingegangen. Offen ist aber noch, bis wann diese bearbeitet werden. Google bezeichnet diese Maßnahme als ersten Schritt. Weitere Maßnahmen werden in Abstimmung mit Datenschutzexperten laut Google in der nächsten Zeit folgen. Google hat zwischenzeitlich auch angekündigt, entfernte Links anzuzeigen, womit die Information auf der Website doch wiederum „durch die Hintertür“ verfügbar bleibt.

Das Urteil betrifft grundsätzlich auch andere Suchmaschinenbetreiber wie z.B. Bing oder Yahoo. Lehnt ein Suchmaschinenbetreiber einen berechtigten Löschungsantrag ab, sollte anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen werden. Wichtig zu wissen ist, dass sie aber nur verpflichtet werden können, eigene Suchergebnisse zu entfernen. Der verlinkte Inhalt auf einer fremden Website bleibt selbstverständlich weiterhin öffentlich. Sofern dadurch Persönlichkeitsrechte verletzt werden, muss gegen die Verantwortlichen der Ursprungsseiten vorgegangen werden.