Lückenhaft: Schutz von Know-how im Zivilprozess

28.07.2017

Das OLG Köln (Beschluss v. 22.2.2017 – 6 W 107/16) zeigt in einer aktuellen Entscheidung, dass der Schutz von Betriebsgeheimnissen im Zivilprozess nur unzureichend gewährleistet ist. Softwareanbieter sind hier in einem Dilemma, wenn man von ihnen verlangt, zur Darlegung einer Urheberrechtsverletzung ihren Quellcode offenlegen zu müssen. Der Fall zeigt, dass der Gesetzgeber gefordert ist, rechtzeitig bis zur Umsetzung der Know-how-Richtlinie im Juni 2018 für ausreichenden Schutz zu sorgen.

Ausgangsfall

Der Urheber einer Software war der Meinung, dass seine Software von einem Wettbewerber kopiert wird und beantragte wegen Urheberrechtsverletzung beim Landgericht Köln im Wege einer einstweiligen Verfügung die Besichtigung der Software durch einen Sachverständigen. Zur Darlegung der Urheberrechtsverletzung legte der Urheber auch den Quellcode seiner Software vor. Nach Fertigstellung des Gutachtens sollte dem Antragsgegner Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden. Dieser beantragte umfassende Akteneinsicht. Der Antragsteller widersprach dem, weil der Gegner dann auch Einblick in den Quellcode erhalten und damit seine Geschäftsgeheimnisse verletzt würden. Das LG Köln hatte deshalb angeordnet, dass nur der Rechtsanwalt des Gegners in das Gutachten einsehen dürfe, ihn zugleich aber gegenüber seinem Mandanten zur Verschwiegenheit verpflichtet (sog. „Düsseldorfer Verfahren“). Der Gegner bestand aber auf vollständige Akteneinsicht.

Wie entschied das OLG Köln?

Das OLG Köln bewilligte die vollständige Akteneinsicht mit Einblick in den Quellcode und hob die Geheimhaltungsverpflichtung des Rechtsanwalts auf. Andernfalls werde das rechtliche Gehör des Gegners verletzt. Dieser müsse sich gegen den Besichtigungsanspruch wehren können. Dafür sei es erforderlich, vollständigen Einblick in die gegnerische Akte mit allen Anlagen zu erhalten. Dieses Recht sei stärker als das Geheimhaltungsinteresse des Anspruchstellers. Nach § 101 a UrhG sei es für die Durchsetzung des Besichtigungsanspruchs erforderlich, sämtliche Voraussetzungen glaubhaft zu machen. Dem Gegner müsse daher Einblick in diese Unterlagen gewährt werden.

Praxishinweis:

Das OLG Köln folgt damit in einem wichtigen Punkt nicht dem sog. „Düsseldorfer Verfahren“, das zum Interessenausgleich den Rechtsanwalt des Gegners verpflichtet, die Geheimnisse nicht gegenüber seinem Mandanten offenzulegen. Ob ein Rechtsanwalt wirksam zu einer solchen Geheimhaltung verpflichtet werden kann, wenn sein Mandant die Offenlegung verlangt, ist sehr fraglich. Das OLG Köln stellt aber entscheidend darauf ab, dass das Grundrecht auf rechtliches Gehör die Offenlegung verlange. Der Urheber der Software hat es damit in der Hand und muss abzuwägen, ob und inwieweit er den Quellcode offenlegt, um eine Urheberrechtsverletzung schlüssig darzulegen. Sein Interesse an einer Geheimhaltung seiner Software wird im Zivilprozess nach jetziger Rechtslage jedenfalls nur unzureichend geschützt. Es ist zwar möglich, die Öffentlichkeit, also das allgemeine Publikum in der mündlichen Verhandlung, von Betriebsgeheimnissen auszuschließen, nach aktueller Rechtslage aber nicht den Verletzer und seinen Anwalt. Es besteht somit die Gefahr, dass ein Betriebsgeheimnis durch den Prozess offengelegt werden muss. Dies wird sich voraussichtlich erst mit der Umsetzung der Know-how-Richtlinie (RL (EU) 2016/943) über den Schutz von vertraulichen Geschäftsinformationen) in deutsches Recht ab Juni 2018 ändern. Die Richtlinie verpflichtet den Gesetzgeber, den Schutz von Geschäftsgeheimnissen auch im Gerichtsprozess zu gewährleisten, indem u.a. auch die Parteien vom Zugang zu geheimen Dokumenten ausgeschlossen werden können. Es bleibt abzuwarten, wie der Gesetzgeber diese Vorgaben nach der Bundestagswahl im Herbst 2017 umsetzen wird.