Aktuelle Entwicklungen im Social-Media-Recht

28.07.2017

Gesetz gegen Hass und Gewalt in sozialen Netzwerken

Trotz vieler Widerstände und z.T. berechtigter Kritik ist noch vor der parlamentarischen Sommerpause das Gesetz gegen Gewalt und Hasskriminalität mit dem etwas sperrigen Namen Netzwerkdurchsetzungsgesetz (Netz-DG) am 30.06.2017 vom Bundestag verabschiedet worden. Es wird voraussichtlich am 01.10.2017 in Kraft treten, wenn es nicht vorher vom Bundespräsidenten noch gestoppt wird. Ziel des Gesetzes ist, Hasskriminalität und „Fake News“ auf Social-Media-Plattformen zu bekämpfen. Es verpflichtet die Betreiber von sozialen Netzwerken bei Meidung hoher Geldbußen und unter Einhaltung enger Zeitvorgaben offensichtlich rechtswidrige Inhalte innerhalb von 24 Stunden und andere rechtswidrige Inhalte innerhalb von 7 Tagen nach Eingang einer Beschwerde zu löschen. Das Gesetz richtet sich vor allem an facebook, Twitter, YouTube & Co., betrifft aber generell sämtliche Plattformbetreiber, die es Nutzern ermöglichen, beliebige Inhalte mit anderen Nutzern auszutauschen, zu teilen oder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen (§ 1 Abs. 1 Netz-DG). Es gibt aber zwei wichtige Ausnahmen: Zum einen gelten die strengen Berichts- und Löschungspflichten nicht für journalistisch-redaktionell gestaltete Plattformen und zum anderen sind nur soziale Netzwerke betroffen, die mindestens 2 Millionen registrierte Nutzer im Inland haben. Kleinere soziale Netzwerke sollen nicht mit den aufwändigen Prüfungspflichten belastet werden.

W-LAN-Gesetz auf den Weg gebracht

Ein weiteres wichtiges IT-Gesetz wurde ebenfalls am 30.06.2017 auf den Weg gebracht. Es befreit Anbieter von W-LAN-Hotspots von der lästigen „Störerhaftung“. Künftig können die Anbieter nicht mehr von den Rechteinhabern auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn die Nutzer rechtswidrige Inhalte runterladen, auch wenn sie den Zugang nicht durch ein Passwort schützen. W-LAN-Betreiber müssen ihr Netz weder verschlüsseln noch brauchen sie eine Vorschaltseite. Nach dem neuen § 8 Telemediengesetz (TMG) sollen sie nicht mehr die Kosten für Abmahnungen, Schadensersatz oder Gerichtsprozesse tragen. Mit diesem Gesetz musste der Gesetzgeber nachbessern, nachdem der EuGH (Urt. v. 15.09.2016 – C-484/14) Anbieter verpflichtete, den Zugang mit Passwörtern zu schützen. Die Rechteinhaber können aber unter bestimmten Voraussetzungen von den Hotspot-Betreibern Websperren verlangen, um weitere Rechtsverletzungen zu verhindern. Das Gesetz blieb bis zuletzt umstritten. Zu begrüßen ist zwar, dass durch das Gesetz der Abmahnindustrie Grenzen gesetzt werden. Die Interessen der Rechteinhaber werden aber zu wenig berücksichtigt. Es wäre durchaus zumutbar gewesen, eine Passwortsicherung gesetzlich vorzusehen, wie dies auch vielerorts praktiziert wird.

Kein Zugangsrecht der Eltern zum facebook-Account ihres verstorbenen Kindes

Nach einem Urteil des Berliner Kammergerichts (Urt. v. 31.05.2017 – 21 U 9/16) haben Eltern keinen Zugang zum facebook-Account ihres verstorbenen Kindes, da dem das durch das Telekommunikationsgesetz (TKG) geschützte Geheimhaltungsinteresse Dritter entgegensteht. Dritte können alle sein, die in dem betreffenden Account etwas gepostet haben. In dem konkreten Fall war ein minderjähriges Kind unter ungeklärten Umständen tödlich verunglückt. Die Eltern begehrten von facebook Zugang zum Account, um die Begleitumstände des Todes klären zu können. Das Kammergericht verneinte einen entsprechenden Anspruch der Eltern. Die Frage der Vererbbarkeit eines facebook-Accounts ließen die Richter im Ergebnis offen. Selbst wenn man dies unterstelle, seien die im Account gespeicherten Kommunikationsdaten aber durch das Fernmeldegeheimnis geschützt. Eine gesetzliche Erlaubnis für die Verletzung des Fernmeldegeheimnisses sei nicht vorgesehen. Die Entscheidung des Kammergerichts ist nicht rechtskräftig, so dass der BGH voraussichtlich über diesen aus Sicht von Angehörigen unbefriedigenden Rechtszustand entscheiden wird (BGH – III ZR 183/17).

BGH legt EuGH Fragen zur Ausdehnung der Hyperlink-Rechtsprechung vor

Im Ausgangsfall war auf der Website einer Schule das Referat eines Schülers eingestellt worden. Dabei wurde ein Foto eines Berufsfotografen benutzt, das der Schüler von einer fremden, aber frei zugänglichen Internetseite heruntergeladen hatte. Nach der Hyperlink-Rechtsprechung des EuGH liegt grundsätzlich keine Urheberrechtsverletzung vor, wenn auf ein frei im Internet zugängliches Werk verlinkt wird (EuGH, Urt. v. 13.2.2014 – C-466/12 – Nils Svensson/Retriever Sverige). Das verklagte Land NRW als Dienstherr der Schule ist der Meinung, dass dies auch gelten müsse, wenn das Werk zunächst kopiert und dann auf die eigene Internetseite hochgeladen wird, wie dies bei dem Referat auf der Website der Schule geschehen ist. Der BGH hat dies zum Anlass genommen, dem EuGH diese Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen (Beschluss v. 23.2.2017 – I ZR 267/15 – Cordoba). Dies ist erstaunlich, da in dem Fall kein Hyperlink gesetzt, sondern das Foto kopiert wurde, bevor es auf der Website veröffentlicht wurde. Anders als beim bloßen Verlinken hat der Rechteinhaber keine Kontrolle mehr darüber, ob sein Werk weiterhin im Netz bleibt. Vielmehr entscheidet der Nutzer dann, ob und wie lange das Werk der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Bejaht der EuGH diese Frage, würde dies eine erhebliche Ausweitung der Rechte der Nutzer bedeuten.

Verstoß gegen Unterlassungspflicht durch Kundenbewertung

In dem Fall des OLG Köln (Urt. v. 24.5.2017 – 6 U 161/16) wurde ein Anbieter von „Zauberwaschkugeln“ wegen einer irreführenden Angabe abgemahnt. Der Händler gab darauf eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, nicht mehr mit der Angabe „Spart Waschmittel“ zu werben. Was der Händler nicht bedacht hatte, waren Kundenbewertungen, die er auf seiner Website veröffentlichte. In diesen wurde ebenfalls behauptet, dass man mit dem Produkt Waschmittel sparen könne. Das OLG Köln sah in den Kundenbewertungen ebenfalls Werbung für das Produkt, die sich der Händler zurechnen lassen müsse. Denn er eröffne auf seiner Website gerade die Möglichkeit, dass Kunden für ihn und seine Produkte werben. Er wurde deshalb wegen Verstoß gegen die Unterlassungserklärung zu einer Vertragsstrafe verurteilt. Online-Anbieter können also auch für die Werbung durch Dritte haften, die auf ihren Websites veröffentlicht wird.