Geschäftsführerhaftung bei Wettbewerbsverstößen eingeschränkt

15.11.2014

Geschäftsführer einer GmbH können aufatmen. Sie haften bei Wettbewerbsverstößen künftig nur noch im eingeschränkten Umfang. Bisher war es gängige Praxis, dass ein Geschäftsführer bei einem Wettbewerbsverstoß neben der GmbH persönlich auf Unterlassung in Anspruch genommen wurde. Damit dürfte nun Schluss sein. Nach einem Urteil des BGH v. 18.06.2014 – I ZR 242/12 – haftet ein Geschäftsführer für unlautere Wettbewerbshandlungen der von ihm vertretenen Gesellschaft grundsätzlich nur noch dann persönlich, wenn er an der Wettbewerbshandlung als Täter oder Teilnehmer selbst beteiligt war.

Ausgangsfall

In dem vom BGH entschiedenen Fall ging es um wettbewerbswidrige Praktiken einer GmbH bei der Haustürwerbung für Gasversorgungsverträge. Den Vertrieb hatte die in Anspruch genommene GmbH an selbständige Handelsvertreter ausgelagert. Neben der GmbH wurde auch der Geschäftsführer auf Unterlassung in Anspruch genommen, da er von den Rechtsverstößen Kenntnis gehabt und seinen Betrieb nicht so organisiert habe, um Wettbewerbsverstöße zu vermeiden. Nach bisheriger Rechtsprechung des BGH (BGH, Urt. 26.09.1985 – I ZR 86/83 – Sporthosen) haftete ein Geschäftsführer in einem solchen Fall neben der GmbH persönlich.

Dies ging zurück auf eine vom BGH entwickelte Störerhaftung und begründete für den Geschäfts-führer die Verpflichtung, bevorstehende Rechts-verletzungen zu verhindern, sobald er davon Kenntnis erlangte. Kritiker bemängelten, dass diese Haftung als Compliance-Anforderung immer weiter ausgebaut werde und praktisch auf ein Organisations-verschulden des Geschäftsführers hinauslaufe.

Wie entschied der BGH?

Nachdem der BGH aber die Störerhaftung für das Recht des unlauteren Wettbewerbs aufgegeben hat (BGH, Urt. v. 22.07.2010 – I ZR 139/08 – Kinder-hochstühle im Internet I), konnte er an diesen Grundsätzen auch für den Geschäftsführer nicht länger festhalten. Künftig haftet er nach der neuen für die amtliche Sammlung BGHZ vorgesehenen Entscheidung (BGH, Urt. v. 18.06.2014 – I ZR 242/12 – Geschäftsführerhaftung) nur noch nach den aus dem Strafrecht bekannten Kategorien von Täterschaft und Teilnahme oder wenn er ein Einschreiten pflichtwidrig unterlassen hat. Dafür ist aber eine Garantenstellung erforderlich. Daneben bleibt eine Haftung in Ausnahmefällen möglich.

Zusammengefasst haftet ein Geschäftsführer somit nur noch in folgenden Fällen:

- Wenn er den Verstoß selbst begangen, dazu angestiftet oder Beihilfe geleistet hat
- Bei einem Unterlassen, wenn er aufgrund einer Garantenstellung nach den allgemeinen Grundsätzen des Deliktsrechts die Tat hätte verhindern müssen
- Wenn er sich bewusst der Möglichkeit entzieht, überhaupt Kenntnis von etwaigen Wettbewerbsverstößen zu nehmen (Beispiel: Dauernder Aufenthalt im Ausland)
- Wenn er ein wettbewerbswidriges Geschäftsmodell „selbst ins Werk gesetzt hat“

Nicht ausreichend sind hingegen:

- die Organstellung und die allgemeine Verantwortlichkeit gegenüber der Gesellschaft
- die Kenntnis von bereits begangenen oder künftigen Wettbewerbsverstößen

Praxishinweis:

Die neue Rechtsprechung vermindert die Haftungsrisiken für Geschäftsführer im Falle von Wettbewerbsverstößen deutlich und ist aus Sicht der Organe einer Gesellschaft zu begrüßen. Die Grundsätze gelten fortan nicht nur für Geschäftsführer einer GmbH, sondern für alle organschaftlichen Vertreter, insbesondere für den Vorstand einer AG. Diese können bei einem Wettbewerbsverstoß künftig nicht mehr schematisch neben der Gesellschaft auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, was bisher die Regel war. Dies kann erhebliche Folgen haben: Ist eine Wettbewerbsklage gegen die Gesellschaft begründet, haftet aber der Geschäftsführer nicht, geht die Klage zur Hälfte verloren - mit der negativen Konsequenz, dass der Kläger die Hälfte der Kosten tragen muss. Künftig muss also bei einer Inanspruchnahme von Organen einer Gesellschaft deren Haftung sehr sorgfältig nach den Kriterien der neuen BGH-Entscheidung geprüft werden. Die persönliche Haftung der Organe dürfte damit von der Regel zur Ausnahme werden. Eine eigene Beteiligung ist danach z.B. bei einer Einpersonen-Gesellschaft oder dann anzunehmen, wenn dem Wettbewerbsverstoß eine Entscheidung zugrunde liegt, die typischerweise auf Geschäftsführerebene getroffen wird.

Zu beachten ist, dass diese Haftungserleichterung nur für Verstöße gegen den unlauteren Wettbewerb gilt. Bei Verletzung von gewerblichen Schutzrechten (Patente, Marken, Gebrauchsmuster oder Designs) ist die strenge Störerhaftung weiterhin anwendbar.