Urheberrechtsschutz auch für Gebrauchsgegenstände

Januar 2014

Der BGH hat mit Urteil vom 13.11.2013 – I ZR 143/12 – eine Kehrtwende beim Urheberrechtsschutz für Gebrauchsgegenstände vollzogen und klargestellt, dass an den Urheberrechtsschutz von Werken der angewandten Kunst wie z.B. Designprodukten, aber auch gewöhnlichen Gebrauchsgegenständen grundsätzlich keine höheren Anforderungen zu stellen sind als bei Werken der zweckfreien Kunst wie ein Musikstück oder ein literarisches Werk. Dieses Urteil hat erhebliche Auswirkungen für den Vertrieb industriell hergestellter Produkte.

Der Fall des BGH:

Eine Spielwarendesignerin hatte im Jahre 1998 für den Entwurf eines Zugs aus Holz, auf dessen Waggons man Kerzen und Ziffern aufstecken kann (sog. „Geburtstagszug“) ein Honorar von (nur) 400,00 DM erhalten. Das Spielzeug wurde in der Folgezeit zu einem Verkaufsschlager, so dass die Designerin von dem Spielwarenhersteller wegen des Erfolgs eine nachträgliche Vergütung forderte, was nach dem Urheberrechtsgesetz (UrhG) möglich ist. Der Hersteller argumentierte jedoch, dass der „Geburtstagszug“ urheberrechtlich gar nicht schutzfähig sei und bekam in den Vorinstanzen Recht.

Dem folgte der BGH nicht und gab damit seine bisherige Rechtsprechung ausdrücklich auf. Bislang war anerkannt, dass an industriell gefertigte Erzeugnisse, die (auch) als Geschmacksmuster (jetzt: Design) geschützt werden können, deutlich höhere Anforderungen an den Urheberrechtsschutz zu stellen sind. Andernfalls könne der zeitlich nur begrenzte – und grundsätzlich nur durch Eintragung in ein Register begründete – Designschutz von maximal 25 Jahren durch einen parallelen Urheberrechtsschutz, der keiner Registrierung bedarf und immerhin bis 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers gilt, unterlaufen werden. Gestützt wurde diese Ansicht auch damit, dass das Geschmacksmuster „als kleiner Bruder“ des Urheberrechts mit geringeren Anforderungen an die schöpferische Leistung galt. Da sich bereits die geschmacksmusterschutzfähige Gestaltung von der nicht geschützten Durchschnittsgestaltung abheben müsse, sei für den Urheberrechtsschutz ein noch größerer Abstand, d.h. ein deutliches Überragen der Durchschnittsgestaltung erforderlich. Doch seit der Reform im Jahre 2004 hat sich das Geschmacksmuster (Design) vom Urheberrecht losgelöst. Seitdem kommt es nicht mehr auf eine bestimmte Gestaltungshöhe des Designs an, sondern nur noch darauf, ob sich das Design von anderen Designs unterscheidet. Es wurde daher schon vermehrt in Fachkreisen gefordert, die Anforderungen für den Urheberrechtsschutz zu senken.

Dem ist der BGH nun gefolgt. Er bekräftigt, dass Designschutz und Urheberrechtschutz von einander losgelöst nebeneinander bestehen. Es ist daher nicht mehr gerechtfertigt, einer Gestaltung, die dem Designschutz zugänglich ist, den Urheberrechtsschutz zu versagen oder von besonderen Voraussetzungen abhängig zu machen. Auch ein Gebrauchsgegenstand ist grundsätzlich an denselben urheberrechtlichen Voraussetzungen zu messen wie ein Werk der Musik oder ein Sprachwerk. Ausreichend ist eine geringe Schöpfungshöhe, die der BGH für den „Geburtstagszug“ bejaht. Die Designerin könne jedenfalls seit Reform des GeschmacksmusterG 2004 eine zusätzliche Vergütung nach dem UrhG verlangen.

Einschränkend betont der BGH jedoch, dass die für einen Urheberrechtsschutz erforderliche Gestaltungshöhe bei Gebrauchsgegenständen nur dann vorliegt, soweit sie nicht dem Gebrauchszweck geschuldet ist, sondern auf einer „künstlerischen Leistung“ beruht. Eine – wenn auch geringe – Gestaltungshöhe führt auch zu einem entsprechend engen Schutzbereich. M.a.W.: Der Urheberrechtsschutz einer Kaffeekanne kann sich nicht aus Gestaltungsmerkmalen ergeben, die durch die Funktion als Kanne vorgegeben sind. Der Schutz muss sich aus der darüber hinausgehenden eigenartigen Form der Kanne ergeben. Diese Gestaltung ist dann mit anderen Gestaltungen zu vergleichen.

Praxishinweis:

Das Urteil hat erhebliche Auswirkungen sowohl für Designer als auch für die Verwerterseite. Praktisch ist jetzt jedes Produkt, das in irgendeiner Weise eigenartig gestaltet ist, potentiell urheberrechtlich geschützt. Es gilt der Grundsatz der „kleinen Münze“. Bei einem unerwarteten Verkaufserfolg können Designer, gestützt auf das neue BGH-Urteil, unter Umständen einen ordentlichen „Nachschlag“ fordern. Dies sieht das UrhG in § 32a UrhG vor (vormals „Bestsellerparagraph“). Auch können Designer Abmahnungen wegen Verletzung von Urheberrechten aussprechen. Dies kann der Fall sein, wenn in einem Lizenzvertrag gar keine urheberrechtlichen Nutzungsrechte eingeräumt wurden oder der Geschmacksmusterschutz ausgelaufen ist.

Für die verwertende Industrie empfiehlt sich, den Urheberrechtsschutz von Designprodukten und diesbezüglich bereits abgeschlossene Lizenzverträge überprüfen zu lassen, um gegen Forderungen von Designern gewappnet zu sein. Für künftige Lizenzverträge ist in jedem Fall darauf zu achten, auch die urheberrechtlichen Nutzungsrechte zu berücksichtigen. Das gilt nicht nur für externe Designer, sondern auch für angestellte Entwickler in einem Unternehmen. Designer dürften mit dem neuen Urteil des BGH eine zusätzliche Einnahmequelle für sich entdeckt haben.